Die Linzer Torte in unserem Herzen: Unsere Reise nach Oberösterreich

Matthias:

Es war von langer Hand geplant: Wir würden definitiv nach Oberösterreich fahren, so viel stand schon fest. Doch wann genau, stand anfangs noch in den Sternen. So kam es, dass wir uns auf den 25.2. einigten. Der Zeitpunkt lag noch genau in den Semesterferien und war natürlich auch für Theresa deshalb ideal, weil sie genau in diesem Moment noch ihr Praktikum machte. Doch der Tag fing etwas anders an, als geplant.

Vollkommen übermüdet, um ca. sieben oder acht Uhr, breche ich mit meiner Mutter und meinem Stiefvater zum Westbahnhof auf, wobei ich kaum auf eigenen Beinen stehen kann. Bis zur ersten Trafik sind es gefühlt hunderte Kilometer. Etwas verwirrt erklärt uns die Trafikantin, wie man fahren müsste. „Hin und zurück?“, fragt sie. Ich nicke. „Dann zweimal!“. Jetzt erstaunt sie uns doch. Zwei ganze große, wertvolle Tickets muss ich also kaufen. Und wann geht der Zug? „In zehn Minuten!“. Jetzt platzt uns allen endgültig der Kragen: „Hätten Sie uns das nicht früher sagen können?“. Die Westbahn in einem solch riesigen Bahnhof zu finden ist komplizierter, als im Labyrinth von Knossos den Minotaurus zu erkennen. Kreuz und quer rennen wir durch die Landschaft, und weit und breit nur Züge, Züge und nochmals Züge. Erst da erkenne ich schließlich die grün-weiße Westbahn, welche ganz elegant auf den Schienen steht. Kaum Zeit mich zu verabschieden, denke ich mir noch, als ich schließlich dazu gezwungen bin, einen extrem hastigen Sprint einzulegen. Und mit dem letzten Schritt, quasi bevor mich die Bahn zerquetscht, erreiche ich das Innere des Zuges. In Eile suche ich mir einen Platz an der rechten Seite des Zuges aus, wo mich allerdings Mama und Wolfgang kaum sehen können. Nur kurz treffen sich unsere Blicke. Ich sehe sie beide winken. Ein gequältes Lächeln, Zeit für Teletubbie-Winke!

Doch dann sinke ich leicht in meinem Sitz zusammen. Ich starre leicht verunsichert geradeaus. Und warum? An dieser Stelle muss ich ein Geständnis machen: Obwohl ich in weniger als drei Monaten 23 Jahre alt werde, ist diese Zugfahrt – abgesehen von einer ganz kleinen von Felixdorf im Bezirk Wiener Neustadt (NÖ) nach Wien-Meidling – meine ALLERERSTE Zugfahrt, die ich GANZ ALLEINE machen muss!

Und man merkt daher als Zuseher ganz schnell, dass hier etwas in meinem Inneren sich bewegt, mir ist ganz und gar nicht wohl bei der Sache. Ich fürchte mich sogar vor den Angestellten. Ja, sie sind ganz unheimliche Gestalten. Man weiß, dass es auch in Zügen Securities gibt. Und deren makabere Art tut mir gar nicht gut. „FAHRSCHEIN!“, brüllt da schon ein Organ. Das tut mir ganz und gar nicht gut. Super, diese verwurschtelten Tickets in der Geldtasche. Beide müssten doch in Ordnung sein? „Dankeeeeeeee…“ lächelt mich der junge Mann an. Ja, vielleicht habe ich auch etwas übertrieben. Es war eh nur ein ganz junger, freundlicher Mann. Ich empfand das ganz einfach nur so…

Was ich jetzt bei der Stadtgrenze von Wien fühle, ist ein großer Stich im Herzen. Und jede Menge Durst. Diese Austrocknung passiert so gut wie immer, wenn es mir so gar nicht gut geht. Verstohlen nehme ich meine Flasche aus dem Rucksack. Wehe es sieht mich jetzt jemand. Bei dem Konsumzwang?! Doch es glückt: Eine Wohltat für meine Kehle. Kurz danach jedoch höre ich eine Stimme: „Trinken?“. Es ist doch wohl klar, was ich einem solchen Opportunisten ins Gesicht schleudern würde, oder? Genau: „Eistee!“.Es ist wohl klar, wozu dies führt: Zu extremem Drang, aufs Klo zu gehen. Wissen Sie aber, was passiert, wenn man in einem Zug aufs Klo geht? Man lebt hier wie im „Raumschiff Enterprise“. Man steht ewig lang vor einer Metalltür, die wie ein Halbkreis geformt ist. Dann muss man auf einer einzigen kleinen Schüssel sitzen, umgeben von Urin. Wirklich wunderschön! Da würde ich mich ja selber wegbeamen wollen…

Langsam aber sicher fange ich an, mich zu entspannen. Ich betrachte die an mir vorbeiziehende Landschaft mit grünen Feldern – typisch für Niederösterreich. Der Wind bläst… die Zeit steht still… der Zug fährt in einen Tunnel. Das ist die Lösung! DAS IST ES! Ich taste nach meinem Kopfhörer. Zeit meinen Arzt anzurufen! Das geht nicht so schwer. Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren, und da ertönt die Stimme meines Arztes: „Wind was blowing, time stood still!”. Ich beginne zu lächeln. “Eagle flew out of the night”. Ja, Peter Gabriel kann mich immer beruhigen. Erst jetzt erkenne ich die Schönheit der Landschaft.

Wir halten in St. Pölten, in der großen Landeshauptstadt des Erwin Pröll. Nun kann ich mich langsam aber sicher darauf einlassen, dass es nun keinen Weg zurück mehr gibt. „It´s too late, the modern´s out of date“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Richtig. Und deswegen genieße ich nun die Grenzfahrt ins schöne Oberösterreich. Und ich sehe die wunderschöne Donau vor mir. Da plötzlich klingelt das Telefon: Meine Frau Mama will wieder einmal alles wissen. Einen Kopfhörer im rechten Ohr, das Handy am linken, murmle ich nur: „Ja, passt alles“. Ob es denn angenehm sei, fragt sie. „JFK – he took your ticket yesterday!“. Nun… Ich höre in mich hinein: Ja, es geht so. „In a humdrum!“. Aber natürlich muss ich da gleich mal nach dem Konsumzwang fragen: „Nein, das macht gar nichts, da kann dir niemand etwas anhaben!“. Sehr schön. „In a humdrum“. Und da bin ich auch endlich bereit, mich im strahlenden Sonnenschein Richtung Bahnhof zu begeben. Ich stehe auf, mein leichtes Gepäck in der Hand. „Open my heart, there´s no place to go…“. Der Zug fährt ein, die Tür geht auf. “Cause my heart don´ t need no status quo”. Wer hätte gedacht, was mich hier erwarten würde?!

Theresa:

Ich warte schon gespannt auf meinen lieben Gast am Linzer Bahnhof. Gott sei Dank ist der Bahnhof ja relativ klein, und wir finden uns sofort. Einen Augenblick später begrüße ich schon den Reisenden und freu mich sehr mit ihm, dass die erste Zugreise alleine so toll geklappt hat (hätte ich ja auch nicht anders erwartet…) 🙂
Und so starten wir sogleich in das dicht gefüllte Sightseeing-Programm der Industriestadt. „In Linz beginnt‘s“, wie auch das Motto der Stadt so schön grüßen lässt. Wir schlendern mal gemütlich durch die Stadt, denn das Wetter hat es an diesem Tag gut mit uns gemeint. Einer der ersten schönen Frühlingstage, ein wenig kalt noch aber dafür umso sonniger. Der Linzer Dom ist unsere erste große Sehenswürdigkeit, die wir besichtigen. Ein wenig klein fühlt man sich in diesem großen dunklen Gebäude schon, aber Matthias nutzt gleich die Gelegenheit, um einige tolle Erinnerungsfotos zu machen.
Weiter geht es Richtung Schlossberg, wo uns der erste Ausblick über die Stadt erwartet. Unentwegt versuche ich so gut ich kann, möglichst viele Linz-Details aus meinem Kopf zu kramen und eine halbwegs interessante Touristen-Führung zu gestalten, nicht selten kommt es aber vor, dass Matthias eh mehr weiß als ich 🙂

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Matthias vor der Linzer Pestsäule

Die Suche nach einem passenden Lokal für das Mittagessen gestaltet sich als schwieriger als erwartet. Aber auf dem Weg zu einem Wirtshaus erwartet uns am Linzer Taubenmarkt eine spektakuläre Überraschung. Über diese lass ich nun aber Matthias berichten… 😉

Matthias:

Im Grunde war diese Erscheinung gar nicht geplant. Ja, wahrhaftig Erscheinung. Doch was um alles in der Welt könnte dieses merkwürdige Phänomen nur sein, dass sogar das Radio Oberösterreich sich extra zu einer Reportage aufmacht? Nun, ganz einfach: Zunächst muss man sich durch eine riesige Menschenmenge den Weg bahnen, welche schlichtweg nur eines kann: Gaffen! Dann braucht man noch ein bisschen Liebe im Herzen und gleichzeitig großen Mut im Bauch. Denn dann erblickt man unglaubliche Schönheiten. Für die Mädchen interessant wäre der halbnackte Lulatsch neben meiner persönlichen Liebe: Drei wunderschöne Mädchen im sonnengelben Bikini räkeln sich in der Sonne. Und das bei acht Grad! „Wir werden in einer Stunde den Sieger haben!“, verkündet eine Moderatorin vom Radiosender. Das heißt, sofern nicht der Notarzt kommt. Denn der steckt direkt daneben. Doch für mich sind sie ohnehin alle Gewinner! Und ich schwöre bei Gott, sie schauen in meine Richtung! Und ich höre sie immerzu in meinem Kopf: „Matthias! Oh, Matthias!“. Der Hall ist schier endlos groß. Und ich höre sie wieder: „Komm her! So komm doch her!“. Langsam aber sicher nehmen sie eine völlig farbenfrohe Gestalt an. Immer mehr atme ich ihren orangenen Duft ein, als ich höre: „Es wird Zeit… Es wird Zeit!“. Ja, das wird es! Und so strecke ich Ihnen meinen Kopf hin, um mich küssen zu lassen. Und da plötzlich, kurz vor dem erlösenden Kuss- …..
…packt mich eine Hand von hinten. Oh, Fräulein, wer bist du nur? Zeige mir dein Antlitz! Und sie zeigt es mir: „Matthias! Kommst du jetzt wohl her? Es ist höchste Zeit!“, schreit mir Theresa ins Gesicht. Völlig verdutzt zieht sie mich aus der Menge raus. „Sag mal, was hast du denn da gesehen?“. Was sollte ich sagen? Einen Haufen Rubine? „Naja“, meine ich, „vergiss es! Das war nichts für dich!“.

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Das Radioevent – wer entdeckt einen nackten Oberkörper zwischen all den warmen Wintermäntel? 😉

Theresa:

Am Nachmittag führt uns unsere Reise hinauf zum Pöstlingberg. Leider war zu diesem Zeitpunkt im Februar die Grottenbahn noch nicht eröffnet, und wir konnten leider nicht die „Zwergerl schneuzen“, wie man in Linz so schön sagt… Der Weg wurde aber belohnt mit einer wundervollen Aussicht über Linz und Umgebung. Anschließend stand der Linzer Tiergarten am Programm. Ich wusste, dass der Zoo in der Nähe vom Pöstlingberg war und dachte mir, bevor wir nun 15 min auf die nächste Pöstlingbergbahn warten, um den Berg wieder runterzufahren zum Tiergarten, könnten wir an diesem sonnigen Tag auch einen kleinen Spaziergang machen… Aus meinen geplanten 5 Minuten Spaziergang wurde leider eine kleine 20-minütige-Reise, da der Tiergarten doch ein wenig weiter weg war als ich in Erinnerung hatte. 😉

Matthias:

Ein bisschen? Lieb! Das war ein Tagesmarsch, den mir die feine Dame da zugemutet hat! Und überhaupt: Wer hätte fast nicht auf mich gehört? Gut, damals in Salzburg war es ja sowohl zu spät, als auch vielleicht noch etwas kleiner als der in Linz. Aber was hätten wir alles verpasst? Da waren nicht nur einheimische Tiere, wie die liebe Frau Theresa glaubte. Das waren Exoten!!! Gut, Ziegen und Schafe sind nicht unbedingt Exoten! Aber wenn sie aus Afrika sind? Nach unserem Ausflug durch die Welt der Vögel gehen wir noch dorthin, wo einige Politiker wohnen: Ins Affenhaus. Dort fange ich allerdings langsam an, auszutrocknen, da ich schlicht dieses lange Gehen nicht gewohnt bin. Doch es geht noch nicht zu Ende, sage ich mir. Denn da sehe ich als nächstes eine Gruppe von besonders verlogenen Politikern – den Nasenbären. Leider wurde einer so verlogen, dass man ihn offenbar zu einem Invaliden geschlagen hat; ihm fehlt der Schwanz. Da werde ich natürlich wieder Feuer und Flamme, als ich diese süßen Kleinvertreter der Ursidae (Bären) sehe: „Hallo, Nasi!“, schreie ich. „Magst ein Chappi?“. Doch sie hören mich nicht, denn zwei von ihnen gehen da einfach durch einen ganz engen metallischen Gang durch. Noch bevor ich mir über den nächsten Schritt Richtung Tierschutz Gedanken machen kann, sehen wir den wohl größten Politiker der Welt. Schnell rasen wir auf ihn zu, überreden ihn tatsächlich zu einem Interview vor laufender Kamera! „Wir haben es heute geschafft“, verkünde ich in meine Handykamera, „einen Vertreter der Landespartei exklusiv hierher zu holen, und zwar direkt aus der Landesregierung!“. Dann drehe ich die Kamera in seine Richtung: „Was sagen sie zur Steuererhöhung?“. Doch leider entschied er sich um und gab uns doch keine Antwort –  der Esel im Gehege!!!

Dass ich dann jedoch völlig energielos bin, ist ganz klar. Und so versuche ich, möglichst lange in der Pöstlingbergbahn zu sitzen, bevor ich krepiere. Was dann aber im Ars Electronica Center geschah, dass soll Ihnen jetzt Theresa erzählen.

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Theresa und Matthias bei der 3D-Show im Ars-Elctronica Center

Theresa:

Am Ende des Tages wird uns die Zeit fast zu kurz. Zwar schmerzen unsere Beine schon ein wenig vom vielen herumgehen, aber einen kurzen Abstecher in das berühmte Ars-Electronica lassen wir uns nicht nehmen. Nach einer 3D-Vorführung über „verschwundene Gebäude“ bleibt nicht mehr viel Zeit für die restliche Ausstellung, da das Museum bereits zusperrt. Daher entscheiden wir uns, den Tag bei einem Getränk ausklingen zu lassen. Zufrieden, aber auch ein wenig erschöpft setzen wir uns auf einen Tisch mit Blick auf die Donau. Die eintretende Ruhe während wir an unseren Getränken nippen, lässt sich bestimmt auf die langsam auftretende Müdigkeit zurückführen, denn normalerweise gehen uns nicht besonders schnell die Gesprächsthemen aus. Schlussendlich machen wir uns auf den Weg zurück zum Bahnhof, wo sich Matthias nach einem schönen und aufregenden Tag wieder auf Heimreise begibt.

Matthias Ledoldis, Nutzer der Freizeitassistenz und Theresa Pilshofer, Freizeitassistentin bei integration wien