Tschüß, Nordmann: Der Abschied von Antti


Ich habe ja schon lange einen Wechsel geplant, doch nun erst ist es offiziell: Antti kann nicht länger mein Assistent sein. Wieso das nötig ist? Nun, lassen Sie es mich einmal so ausdrücken: Es war zwar prinzipiell mit ihm immer ganz angenehm, aber irgendwie hatte ich manchmal das Gefühl, nicht ausreichend gefordert zu werden.

Was jedoch umso günstiger gelaufen ist, das waren die neuen Formen von Umgang, die Antti mir beigebracht hat. Ich habe erst neulich darüber nachgedacht, wie sehr ich immer von Antti – und im Grunde von allen Männern – behauptet habe, wie wenig emotional sie seien. Und dass man zu Antti keine tiefe Bindung aufbauen könne. Nun, wenn ich es mir recht überlege, mag dies vielleicht nicht die weibliche Tiefe erreichen; jedenfalls existierten durch unsere Beziehung immer Vorteile, die eigentlich leicht übersehen werden könnten.

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Beispielsweise muss die Introversion erwähnt werden, mit welcher Antti immer durch das Leben ging. Im Grunde genommen macht ihn dies zu einem so großen Ruhepol, dass er mir damit auch als eine Art „Touristenführer durch das Leben“ weitergeholfen hat. Er zeigte mir damit, wie man am allerbesten Ruhe bewahrt und niemals die Fassung verliert. Doch auch konnte – und musste!- er mich manchmal zurückhalten, zum Beispiel wenn ich einem zweiten Klienten die Verantwortung abnehmen wollte. Da musste Antti als frostiger Finne seine Kälte im Inneren nutzen, um ganz klar zu sagen: Stopp! Ebenso, wenn ich beispielsweise zu hilfsbereit sein wollte konnte er mir klipp und klar verdeutlichen, wo meine Verantwortung endete.

Nun, da dies geklärt ist, stellt sich natürlich für jedermann die Frage: Was waren die Höhe- beziehungsweise Tiefpunkte unserer 20 Monate dauernden Assistenz? Nun, erstere waren zahlreich, letztere eher Kleinigkeiten. Insofern würde ich doch eher meinen, dass mir unsere gemeinsame Zeit weit mehr geholfen als geschadet hat.

Meine Top 3 unserer gemeinsamen Höhepunkte:

1.) Filmdreh: Im Grunde genommen könnte dieser auch auf Platz 1 der negativsten Punkte stehen – wenn man bedenkt, was für ein unglaubliches Chaos an diesem Tag herrschte. Doch es hat sich ja gelohnt: 12 Stunden unterwegs zu sein und dafür im Gebäude der Mathe-Uni mit 800 Euro ausgezeichnet zu werden, die dann auch noch aufgeteilt werden, das ist etwas schier Unglaubliches.

2.) Mein Platz 2 liegt erst ein paar Monate zurück: Die Fahrrad- Odyssee quer durch Wien. Was ich dabei erlebt habe, war zwar eine unglaubliche Herausforderung, doch ich habe sie wirklich perfekt gemeistert.

3.) Hier fällt es mir wirklich unglaublich schwer, mich zu entscheiden. Im Grunde genommen muss ich hier mehrere gleichermaßen bewerten: Beispielsweise die drei Feiern in Eva´s Wohnung, sowie die „Werwolfabende“ stechen besonders hervor. Doch auch die Geburtstagsfeier, das Lagerfeuer, die Grillfeste sowie viele Gruppenaktivitäten können dazugerechnet werden.

Was aber sollte man denn nun als Tiefpunkte überhaupt rechnen können? Nun, es ist bei weitem nicht so einfach. Fangen wir einmal mit dem Offensichtlichsten an:

1.) Wie bereits erwähnt muss unser erfolgreicher Film, der uns zumindest in der Inklusionsarbeit so berühmt gemacht hat, auch zu den negativsten Ereignissen gezählt werden. Denn nicht nur der Drehtag selbst, nein, auch die Vor- und Nachbereitung haben uns wirklich den letzten Nerv gekostet. Alleine, das Drehbuch im Kopf fertigzustellen. Dann diese Diskussionen vom Kaffeehaus über das Telefon bis zu den laut rein gebrüllten Vorschlägen an Ort und Stelle?! Aber für mich am Enttäuschendsten war der Diskurs danach in Verena’s Büro. Dabei kam es dann doch zu unserem einzigen etwas härteren Konflikt. Doch endete eine der größten und längsten Auseinandersetzungen in meinem Leben doch noch mit einem blauen Auge.

2.) Das Lagerfeuer war aber auch eine Herausforderung: Antti wollte als Vegetarier niemandem das Essen bezahlen, schon gar kein Fleisch. Dies zwang mich dazu, meinen letzten Zwanziger auszugeben. Trotz wirklich interessanter Gespräche wurde – vielleicht auch dadurch – am Abend die Stimmung immer frostiger.

3.) Eigentlich gibt es ansonsten nichts Schlimmes zu erwähnen.

Zu guter Letzt noch die finale Frage: Was bleibt mir von der Assistenz an Gewinn? Wie bereits erwähnt, der Umgang mit Emotionen sowie die neue Zurückhaltung, die ich gelernt habe. Aber auch all die neuen Kontakte, die Antti mir gezeigt hat, haben sich tief in mein Herz eingegraben. Ohne ihn wären meine beiden letzten Jahre nie so erfolgreich verlaufen.

Daher salutiere ich ihm mit der berühmten finnischen Nationalhymne „Oi maamme, Suomi“ noch ein letztes Mal und sage: „Kiitos, Näkemiin!“- Danke, auf Wiedersehen!

Matthias Ledoldis, Nutzer der Freizeitassistenz